Mittwoch, 12. Juni 2013

Bizarr: Jetzt bloggt sogar die SPIEGEL-Rechtsabteilung - mit der sprachlichen Signatur von Markus Grill.

Die Geschichte erinnert mich ein wenig an das Buch „Irre - Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen“ des Kölner Psychiaters Manfred Lütz. Da verliert Markus Grill, zweiter Vorsitzender des netzwerk recherche und Redakteur des SPIEGEL, soeben einen über mehrere Instanzen geführten Rechtsstreit gegen den Frontal21-Autor Jobst Spengemann, wie das ZDF auf seiner Homepage berichtet („Frontal21-Autor gewinnt Rechtsstreit gegen SPIEGEL“). SPIEGEL-Verlag, SPIEGEL ONLINE und Markus Grill verlieren in allen (!) Punkten und kassieren ein strafbewehrtes Urteil, wobei eine Revision ausdrücklich nicht zugelassen wird (Download Urteil, PDF). Sobald das Urteil rechtskräftig ist, droht Markus Grill noch eine Schadenersatzklage (-> Pressemeldung) und eine Strafanzeige wegen Verleumdung. Und nun erscheint - zufällig (?) wenige Tage vor der nächsten Vorstandswahl des netzwerk recherche - ein Blogbeitrag („Gefühlte Diffamierung“), der angeblich von einer anonym bleibenden Person der SPIEGEL-Rechtsabteilung verfasst worden sein soll, in Markus Grills sprachlichem Stil verfasst ist und allem Anschein nach primär dem Ziel dient, eine peinliche juristische Niederlage schön- und kleinzureden?
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ZDF-Meldung: „Frontal21-Autor gewinnt Rechtsstreit gegen SPIEGEL“
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Räuberpistole im SPIEGELblog
Juristen wie z. B. der Medienrechtler Johannes Weberling, der die Webseite www.presserecht.de herausgibt und Tageszeitungen vor Gericht vertritt, haben eine Reihe von „typischen“ Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen: Sie drücken sich in der Regel sachlich und präzise aus, verzichten auf blumige oder wertende Äußerungen und bleiben meist im Hintergrund. Wenn sie sich äußern, dann tun sie dies unter ihrem eigenen Namen und nicht anonym.

Glaubt man dem Beitrag „Gefühlte Diffamierung“, den das SPIEGELblog am 10.06.2013 veröffentlichte und der angeblich von „der SPIEGEL-Rechtsabteilung“ stammen soll, so ticken die Justiziare des SPIEGEL-Verlags gänzlich anders. - Meine Zweifel an der Autorenschaft der SPIEGEL-Rechtsabteilung sind zwar zunächst nur Mutmaßungen mit spekulativem Charakter. Vielleicht irre ich mich ja auch. Folgende Aspekte finde ich jedoch ungewöhnlich:

Markus Grill, Jobst Spengemann, Frontal21, ZDF, SPIEGEL
Kurioser SPIEGEL-Blogbeitrag: „Gefühlte Diffamierung“

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Kuriosität Nr. 1
Justiziare und Rechtsabteilungen deutscher Verlage bleiben gewöhnlich im Hintergrund und vermeiden es, Rechtsstreitigkeiten in eigenen Medien zu kommentieren. Es gilt die Regel: Wer öffentlich schmutzige Wäsche wäscht, der beschmutzt zuallererst sich selbst. Schweigen ist Gold.
Nicht so beim SPIEGEL-Verlag?!
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Kuriosität Nr. 2
Der Blogbeitrag, der angeblich von der SPIEGEL-Rechtsabteilung verfasst worden sein soll, beginnt mit den Worten: „‚DER SPIEGEL‘-Artikel über Frontal21-Autor ist rechtswidrig“, posaunt es die ‚Presse-Info‘ eines kleinen Pressebüros jüngst vollmundig in die Welt.“ Testosteron versprühende, abwertende Formulierungen wie „posaunt es“„kleinen Pressebüros“ oder „vollmundig in die Welt“ sind für Juristen eher untypisch. Sie fallen - wenn überhaupt - nur im privaten Rahmen und auch erst nach dem fünften Glas Bier.
Nicht so beim SPIEGEL-Verlag?!

Kuriosität Nr. 3
Wenn sich ein Justiziar überhaupt öffentlich zu einem Rechtsstreit äußert, der seinen eigenen Verlag betrifft, dann wird er eigene Autorenbeiträge mit seinem Vornamen und Namen versehen und nicht anonym auftreten.
Nicht so beim SPIEGEL-Verlag?!

Kuriosität Nr. 4
Der SPIEGELblog-Beitrag, der wohl dem Ziel dient, eine peinliche juristische Niederlage (in allen Punkten verloren, Revision nicht zugelassen, strafbewehrtes Urteil, Schadenersatzklage in Vorbereitung) schön- und kleinzureden, soll angeblich von einer namentlich nicht genannten Person der SPIEGEL-Rechtsabteilung verfasst worden sein. Gleichzeitig ist der Blogbeitrag jedoch in einem sprachlichen Stil verfasst, der verblüffend dem von Markus Grill ähnelt.
Hilft hier die SPIEGEL-Redaktion kollegial ihrer Rechtsabteilung beim Formulieren in eigener Sache?

Kuriosität Nr. 5
Das Urteil des Kammergerichts Berlin im Rechtsstreit zwischen dem Frontal21-Autor Jobst Spengemann und dem SPIEGEL-Verlag (Download Urteil, PDF) wurde am 06.05.2013 verkündet und wird vier Wochen nach Zustellung rechtswirksam - voraussichtlich am 21.06.2013 (plus minus x Tage). Seine Wirksamkeit kann vorübergehend außer Kraft gesetzt werden, wenn der SPIEGEL-Verlag gegen die Revisions-Nichtzulassung vor dem Bundesgerichtshof Beschwerde einlegt. Im SPIEGELblog heißt es hierzu am 10.06.2013: „Diesen Weg wird der SPIEGEL beschreiten.“

Kurios ist nun, dass der Anwalt von Jobst Spengemann ein auf den 10.06.2013 datiertes Schreiben einer Kanzlei aus Karlsruhe erhalten hat, die sich etwas anders ausdrückt. In diesem Schreiben wird Jobst Spengemann ausdrücklich darum gebeten, für ein mögliches BGH-Verfahren „noch keine/n BGH-Kollegen/in mit der Vertretung der Interessen ihrer Partei zu beauftragen“, weil „noch nicht feststeht, ob die Nichtzulassungsbeschwerde begründet wird“ und weil die Kanzlei zunächst „die Aussichten des Verfahrens“ prüft.

Wer hat nun Recht? Beschreitet der SPIEGEL diesen Weg nun oder prüft er erst noch die Aussichten eines Verfahrens?

Markus Grill, Jobst Spengemann, SPIEGEL, Frontal21, ZDF
Abbildung: Der Anwalt von Jobst Spengemann wird in einem Schreiben vom 10.06.2013 darum gebeten, noch keinen Anwalt für ein mögliches BGH-Verfahren zu beauftragen, weil „die Aussichten des Verfahrens“ (d.h. einer Nichtzulassungsbeschwerde) im Moment noch geprüft werden.


Kuriosität Nr. 6
Selbst wenn der SPIEGEL-Verlag sich nach Prüfung seiner BGH-Kanzlei dazu entscheiden sollte, tatsächlich gegen die Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Jobst Spengemann in allen Punkten Recht zu geben und eine Revision nicht zuzulassen) vor dem BGH eine sogenannte (Revision) Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen, dann wäre damit zunächst nur erreicht, dass die Wirksamkeit des Urteils des Kammergerichts Berlin vom 06.05.2013 um einige Zeit aufgehoben wird - mehr nicht. Solch ein Schritt würde auch nicht Jobst Spengemann betreffen, denn es geht zunächst nur um die Beschwerde darüber, dass das Kammergericht Berlin Markus Grill und dem SPIEGEL-Verlag eine Revision nicht zugesteht. 

Um die drohende Schadensersatzklage von Jobst Spengemann (-> Pressemeldung) und wahrscheinlich auch eine Strafanzeige wegen Verleumdung (-> Begründung) erfolgreich abweisen zu können, benötigt Markus Grill jedoch eine komplette Revision des Berliner KG-Urteils. Solch eine imaginäre (scheinbar erhoffte) finale Revision ist jedoch nur wahrscheinlich, wenn es zu den wesentlichen Streitfragen des über mehrere Instanzen geführten Prozesses neue Argumente oder neue Erkenntnisse geben würde, die in den bisherigen Verfahren noch nicht berücksichtigt worden sind. Solche neuen Argumente oder neuen Erkenntnisse gibt es jedoch nicht und diese werden im SPIEGELblog-Beitrag daher auch nicht genannt. Gäbe es sie, dann wäre das Schreiben der Kanzlei aus Karlsruhe, die den SPIEGEL-Verlag vor dem BGH vertritt, auch nicht nötig gewesen.

Der SPIEGELblog-Beitrag ignoriert die Urteilsbegründung des Kammergerichts Berlin komplett und gibt sie nicht korrekt wieder. Siehe: Download Urteilsbegründung (PDF).

Kuriosität Nr. 7
Ich habe Markus Grill am 17.05.2013 zu seiner Behauptung im SPIEGELblog („Ein Watchblog als Pranger“, 07.03.2013) befragt, Jobst Spengemann habe ihn angeblich in der Vergangenheit „mit falschen Informationen gefüttert“. In meiner Anfrage habe ich Markus Grill u.a. darum gebeten, seine Behauptungen zu konkretisieren und genau zu dokumentieren, welche Informationen er in der Vergangenheit von Jobst Spengemann erhalten hat und warum diese Informationen seiner Meinung nach „falsch“ sind - oder diskreditierend, pharmalobbyistisch oder sonst etwas. Markus Grill hat mir zwar geantwortet, ist jedoch allen Fragen ausgewichen und hat nicht konkretisiert, mit welchen Informationen Jobst Spengemann ihn in der Vergangenheit tatsächlich versorgt hat. Siehe:

Download: Anfrage an Markus Grill vom 17.05.2013

Download: E-Mail-Korrespondenz mit Markus Grill

Dieser Sachverhalt ist verräterisch, weil er zeigt, dass Markus Grill zwar weiterhin rufschädigende Behauptungen über Jobst Spengemann aufstellt, er jedoch offensichtlich nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, seine Behauptungen auch zu belegen und zu dokumentieren. Eine saubere Dokumentation der Behauptungen fehlt auch im aktuellen SPIEGELblog-Beitrag „Gefühlte Diffamierung“ vom 10.06.2013. Der anonym bleibende Autor - angeblich die SPIEGEL-Rechtsabteilung - behauptet viel, belegt jedoch so gut wie nichts. Ein Link zur Urteilsbegründung des Kammergerichts Berlin (d.h. zu einer vom Autor unabhängigen Quelle), wie er auf der Webseite des ZDF zu finden ist, fehlt vollständig - wahrscheinlich mit gutem Grund.

Das mögliche Motiv:
Was bitte soll dieser kuriose SPIEGELblog-Beitrag? Warum wird hier in Hinblick auf die (Revision) Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH behauptet, „Diesen Weg wird der SPIEGEL beschreiten“, während Jobst Spengemann gleichzeitig von der BGH-Kanzlei des SPIEGEL-Verlags darum gebeten wird, noch keinen BGH-Anwalt für einen möglichen Prozess zu beauftragen, weil im Moment noch die Aussichten des Verfahrens geprüft werden.

Wäre es für den SPIEGEL-Verlag und Markus Grill nicht sinnvoller, sich mit (von Außenstehenden ohnehin schwer zu verstehenden) öffentlichen Äußerungen über ungelegte Eier zurückzuhalten und mit einem Statement so lange zu warten, bis die eigene (ein BGH-Verfahren prüfende) Kanzlei aus Karlsruhe eine Entscheidung getroffen hat, die Erfolgschancen einer Beschwerde einschätzen kann?

Meiner Meinung nach dient der SPIEGEL-Blogbeitrag „Gefühlte Diffamierung“ primär dem Ziel, Markus Grill bei der Vorstandswahl des netzwerk recherche, die am 14.06.2013 stattfindet, in einem vorteilhaften Licht zu präsentieren. - sich auf unlautere Weise Vertrauen zu erschleichen. Das Urteil des Kammergerichts Berlin zulasten von Markus Grill wird am 21.06.2013 (plus minus x) rechtswirksam, wenn eine (Revision) Nichtzulassungsbeschwerde NICHT beim BGH eingereicht wird. Sollte das der Fall sein, z. B. weil die Karlsruher BGH-Kanzlei des SPIEGEL-Verlags nach Abschluss ihrer Prüfung wenig Erfolgschancen sieht, dann ist die nr-Vorstandswahl längst Vergangenheit und Internet-Texte des SPIEGEL-Verlags sind bekanntlich „geduldig“ - lassen sich nachträglich flexibel ändern, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren.

Neuwahlen des Vorstands
Abbildung: Geht es vielleicht „nur“ um die Wiederwahl von Markus Grill als 2. Vorsitzender des netzwerk recherche? Link: nr-Mitgliederversammlung 2013 ...
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