Dienstag, 9. Juli 2013

„Monitor“-Beitrag „PR und Journalismus - Werbung auf Schleichwegen“: in allen ARD-Medien dauerhaft gesperrt. Im Netzwerk Recherche e. V. weiter zitierfähig?

Investigative Journalisten sind Menschen und machen daher von Zeit zu Zeit Fehler. Sind die Fehler schwerwiegend, dann können auch die Konsequenzen schwerwiegend sein. So wie im Falle der freien Autoren Sascha Adamek und Ursel Sieber, die im Jahr 2005 für den WDR den „Monitor“-Beitrag „PR und Journalismus - Werbung auf Schleichwegen“ produziert haben. Zu diesem Film sendete „Monitor“ eine Gegendarstellung, was im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht nur sehr, sehr selten vorkommt sondern innerhalb einer Fernsehsendung auch sehr peinlich ist. Darüber hinaus verpflichteten sich die Justiziare des Westdeutschen Rundfunks am 16.11.2005 schriftlich dazu, den „Monitor“-Filmbeitrag im WDR und in allen übrigen ARD-Landesrundfunkanstalten dauerhaft zu sperren. Innerhalb des Netzwerk Recherche scheint der „Monitor“-Beitrag weiterhin - wenn auch verschleiert - zitiert zu werden. Und zwar in einem Sammelband, in dem es um Transparenz geht.
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Sascha Adamek, Ursel Sieber, Adel Massaad, IFGA

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„In der Lobby brennt noch Licht“
Ein Sammelband des Netzwerk Recherche mit Schönheitsfehlern
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Wer gesellschaftlich kommuniziert, der hat Interessen
Es gibt keine gesellschaftliche Kommunikation ohne Interessen und Motive. Jeder, der gesellschaftlich kommuniziert, hat Interessen und Motive - auch Journalistinnen und Journalisten. In einer pluralistischen Demokratie kann Kommunikation dann zu einem großen (ethischen, wirtschaftlichen, politischen etc.) Problem werden, wenn Interessen und Motive nicht transparent gemacht werden und/oder im Verborgenen (z. B. in Hinterzimmern in Brüssel) kommuniziert wird. Ist das der Fall, umgangssprachlich spricht man in solchen Fällen von Lobbyismus, so benötigt es eine Kraft, die Verborgenes aufdeckt und fehlende Transparenz herstellt. Investigative Journalistinnen und Journalisten können solch eine gesellschaftliche Kraft sein - wenn es gut läuft. Wenn es schlecht läuft, dann betreiben auch Medien und Journalisten knallharte Interessenpolitik in eigener Sache - z. B. um durch reißerische Berichterstattung Auflage und Profit zu steigern, um durch Skandalgeschichten journalistisches Prestige zu gewinnen (Motiv: Eitelkeit) oder ganz profan, um als unsympathisch empfundene Menschen in ein schlechtes Licht zu stellen oder sogar zu bekämpfen.
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Netzwerk Recherche: nr-Werkstatt, Band 12
Im Dezember 2008 veröffentlichte das Netzwerk Recherche den Sammelband „In der Lobby brennt noch Licht“ über „Lobbyismus als Schatten-Management in Politik und Medien“ (-> Webseite, -> PDF-Download), der - so mein Eindruck - beide Seiten investigativ arbeitender Journalisten zeigt. In diesem Sammelband befinden sich Beiträge, die den Finger in offene Wunden unseres politischen Systems legen. Das von Thomas Leif in seinem Vorwort eingefügte Zitat „Der Lobbyismus in Deutschland und Europa muss transparenter werden, wenn er nicht nur legitim, sondern auch akzeptiert sein will. Wir brauchen ein verbindliches Lobbyregister und verbindliche Spielregeln“ von Cornelia Yzer ist nach wie vor aktuell. Ein verbindliches Lobbyregister konnte bisher weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene durchgesetzt werden. Warum wohl?
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Netzwerk Recherche, nr-Werkstatt 12, In der Lobby brennt noch Licht
Abbildung: Verschleierndes ausgerechnet in einem Artikel über Transparenz?

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Verschleierung in einem Artikel über Transparenz?
Der Sammelband beginnt mit einem Beitrag von Sascha Adamek und Prof. Dr. Kim Otto. „Längst haben Lobbyisten die Medien unterwandert - Gegenstrategie aus der Praxis“. Wenn die Informationen stimmen, die mir zu diesem Artikel vorliegen, dann hat das Netzwerk Recherche sein Anliegen, Lobbyismus transparent zu machen, gleich im ersten Beitrag seines Sammelbandes ad absurdum geführt. Denn dann haben die beiden Autoren selektiv einseitig informiert, einen unangenehmen Sachverhalt kaschiert und dabei eigennützig ihre Interessen verfolgt - ganz so, wie man das auch von Lobbyisten kennt

Anlass, diesen fünf Jahre alten Artikel anzuschauen, war für mich eine Streitschrift, die Markus Grill am 07.03.2013 (damals 2. Vorsitzender, heute Beisitzer des Vorstands des Netzwerk Recherche) im SPIEGEL-Blog in eigener Sache veröffentlichte. Als Reaktion auf mein neues Watchblog „Faktencheck Markus Grill“ verfasste der Journalist die geharnischte Replik „Ein Watchblog als Pranger“, in dem er Aussagen der „‚Monitor‘-Kollegen Kim Otto und Sascha Adamek“ aus dem Sammelband des Netzwerk Recherche zitiert. O-Ton Grill: „Auch die "Monitor"-Kollegen Kim Otto und Sascha Adamek schildern in einem Sammelband über Lobbyisten ihre Erfahrungen mit Adel Massaad“. Kim Otto und Sascha Adamek beziehen sich in ihrem Artikel u.a. auf einen Filmbeitrag, im dem es um den Tischtennisspieler Adel Massaad aus Geldern am Niederrhein geht, der auch Betreiber des von ihm gegründeten „Instituts für Gesundheitsaufklärung“ ist. Was Markus Grill im SPIEGEL-Blog allerdings nicht erwähnt:

Ein in allen ARD-Medien dauerhaft gesperrter Film
Sascha Adamek und Kim Otto berichten auf Seite 10 des (hier nochmals verlinkten) Sammelbandes von einer von Adel Massaad durchgesetzten Gegendarstellung, die - so der vermittelte Eindruck für Außenstehende - eine Bagatelle betroffen haben muss. „In der Ecke des Raumes, in dem er uns ein Interview gab, stand ein Faxgerät und in der Mitte ein zugedeckter Billardtisch. Nach unserer Sendung wies er in einer Gegendarstellung darauf hin, er habe uns nicht in den Institutsräumen empfangen, sondern wir hätten Teile seines Privathauses gezeigt.“ „So what“, wird sich der schlecht informierte Sammelband-Leser fragen? Was weder Markus Grill im SPIEGEL-Blog noch Sascha Adamek und Kim Otto im Sammelband erwähnen: Eine Unterlassungserklärung, welche die WDR-Justiziare Eva-Maria Michel und Michael Krause am 16.11.2005 gegenüber dem Anwalt von Adel Massaad abgegeben haben und die mir als Kopie vorliegt, deutet darauf hin, dass hier mehr als nur eine Bagatelle passiert sein muss.
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Sascha Adamek, Ursel Sieber, Adel Massaad, IFGA
Abbildung: Unterlassungserklärung des Westdeutschen Rundfunks vom 16.11.2005 gegenüber Adel Massaad für den „Monitor“-Beitrag „PR und Journalismus - Werbung auf Schleichwegen“ - Alles nur wegen einer Bagatelle?

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Zitat aus der Unterlassungserklärung:
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In der Unterlassungserklärung des Westdeutschen Rundfunks vom 16.11.2005 heißt es u.a:

„1.) Der WDR erkennt die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 11. Oktober 2005 (AZ 324 O 705/05) als endgültige Regelung und wie einen Hauptsachetitel an und verzichtet auf seine Rechte aus den §§ 924, 926 und 927 ZPO ... 

2. Namens und im Auftrag der anderen ARD-Landesrundfunkanstalten übermitteln wir Ihnen darüber hinaus in der Anlage eine dem o.g. Beschluss des LG Hamburg entsprechende Unterlassungsverpflichtungserklärung, die ausdrücklich ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage, gleichwohl verbindlich abgegeben wird. 

Darüber hinaus erklären wir unter der gleichen Prämisse, dass die übrigen ARD-Landesrundfunkanstalten - ebenso wie der WDR - den Beitrag „PR und Journalismus - Werbung auf Schleichwegen“ dauerhaft sperren und - soweit Massaad und die IFGA betroffen sind - nicht wieder verwenden werden. 

Verschleiernde Darstellung im nr-Sammelband
Würde es hier nur um eine unbedeutende Verwechselung zwischen Privat- und Institutsräumen gehen, dann müsste der WDR schlecht arbeitende Justiziare haben, die Filmmaterial schon bei kleinsten Unstimmigkeiten ARD-weit und dauerhaft sperren.

Ich halte das für wenig plausibel und finde es auffällig, dass der korrekte Name des Films im Sammelband-Artikel nicht genannt wird. Es geht um den „Monitor“-Beitrag „PR und Journalismus - Werbung auf Schleichwegen“ der freien Autoren Sascha Adamek und Ursel Sieber aus dem Jahr 2005. Auf der Webseite www.sascha-adamek.de befindet sich eine Übersicht der seit 1999 von Sascha Adamek produzierten Filme. Der Film „PR und Journalismus - Werbung auf Schleichwegen“ wird dort nicht erwähnt. Alles nur wegen einer kleinen unbedeutenden Verwechselung?
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Mauer des Schweigens - nicht sehen
Abbildung: „Mauer des Schweigens“ Weder Markus Grill noch der Vorstand des Netzwerk Recherche wollten zu diesem Sachverhalt gestellte Fragen beantworten. - Foto: © apops - Fotolia.com

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nr-Transparenz? Fragen an den Vorstand des Netzwerk Recherche und eine Mauer des Schweigens
Ich habe Markus Grill am 29.05.2013 drei Fragen gestellt, um zu prüfen, ob er (damals noch 2. Vorsitzender des Netzwerk Recherche) beim Verfassen seines SPIEGEL-Blogbeitrags vielleicht nicht sauber recherchiert hat oder ob ihm, was ich für wahrscheinlich halte, die Sperrung des Adel Massaad betreffenden „Monitor“-Films sehr wohl bekannt ist. Eine Antwort ging bei mir bis heute nicht ein. Ich habe mir daher erlaubt, fast den gesamten damaligen Vorstand des Netzwerk Recherche persönlich anzuschreiben. Kein Repräsentant der Journalistenvereinigung hatte die Souveränität, mit mir einfach nur Kontakt aufzunehmen und ein kurzes Gespräch zu führen - also den Dialog zu suchen. Würde es um Bagatellen gehen, dann wäre genau solch ein Schritt die einfachste Maßnahme gewesen, um die Situation zu entkrampfen.

Download: Anfrage an Markus Grill (Scribd)

Download: Anfrage an den nr-Vorstand (Scribd)


Fragen der „Monitor“-Autoren sind berechtigt
Wie so häufig im Leben gibt es auch in diesem Fall neben „richtig“ und „falsch“ („gut“ und „böse“, „schwarz“ und „weiß“) noch eine Menge Graustufen. Das Grundanliegen des „Monitor“-Beitrags „PR und Journalismus - Werbung auf Schleichwegen“ und auch des nr-Sammelband-Artikels von Kim Otto und Sascha Adamek ist, daran besteht für mich kein Zweifel, berechtigt. An der Schnittstelle zwischen PR und Journalismus gibt es ethische Großbaustellen und investigativ arbeitende Journalistinnen und Journalisten leisten rund um diesen Themenkomplex wertvolle, dem Gemeinwohl dienende Arbeit, wenn sie interessengeleitete Kommunikation oder im worst case sogar geschäftsfördernde Meinungsmanipulation transparent machen. Auf der anderen Seite gleicht es dem Versuch, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben, wenn investigativer Journalismus selbst verschleiert, eigennützige und egoistische Interessen verfolgt.

Interessenpolitik wird leider auch von Journalisten, Medien, Verlagen und Journalistenverbänden praktiziert. Der Unterschied zu kommerziell motiviertem Lobbyismus besteht nur darin, dass viele Journalisten kein sehr großes Interesse daran haben, eigenes Fehlverhalten konsequent transparent zu machen. Warum ein (Meinungs-) Machtoligopol freiwillig aus der Hand geben, wenn der Status quo so bequem ist. Das bestätigt auch ein EU-finanziertes Forschungsvorhaben, welches das „European Journalism Oberservatory (EJO) auf seiner Webseite vorstellt (-> Link zur Webseite). Selbst der hoch angesehene Deutsche Presserat ist heute ein kaum noch wirksames Kontrollinstrument, analysiert Sten Martenson in einem Beitrag des Deutschlandfunks.

Weitere Unstimmigkeiten zu Adel Massaad
Der Link ganz unten auf dieser Seite führt zu einem Blogbeitrag, in dem es im Kontext des Rechtsstreits zwischen Markus Grill und dem Frontal21-Autor Jobst Spengemann ebenfalls um Adel Massad geht. Im „Grill-Spengemann-Prozess“ wurde vom Landgericht Berlin und vom Kammergericht Berlin in einem konkreten Fall genau geprüft, welche Informationen Adel Massaad dem früheren „Stern“-Reporter Markus Grill zur Verfügung gestellt hat. War es billige Pharma-PR? Die Ergebnisse der gerichtlichen Prüfung deuten darauf hin, dass Markus Grill - entgegen seiner eigenen Darstellung - wichtige, seriöse und gesellschaftlich relevante Informationen aktiv unterdrückt hat und damit selbst (eigennützigen) Lobbyismus betrieben hat. Auch hierzu gibt es eine Anfrage von mir, die Markus Grill zu großen Teilen unbeantwortet lies:

Download: Fragen an Markus Grill zu seiner Jobst Spengemann und Adel Massad betreffenden Berichterstattung (Sribd)

Download: E-Mail-Korrespondenz zwischen Markus Grill und Claus Fritzsche zur Jobst Spengemann und  Adel Massaad betreffenden Anfrage (Scribd)
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Wolfgang Zieher, Oberstaatsanwalt, Ulm: Der ,Stern‘ und das Fernsehen spielen sich die Bälle zu
Abbildung: Wo hört Journalismus auf und wo fängt ein politisches Spiel über Bande an? „Monitor“-Autoren und Markus Grill (damals „Stern“) sind schon 2006 aufgefallen.

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Markus Grill, „Monitor“ und geschickte Ballspiele
Bei meinen Recherchen zu einem ganz anderen Thema bin ich dieser Tage auf ein interessantes Zitat von Wolfgang Zieher (bis 2012 Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Ulm) gestoßen. In einem Artikel von Rüdiger Bäßler und Andreas Müller („Bürger erzwingt Verfahren zu Ratiopharm“, Stuttgarter Zeitung Nr. 97, 27.04.2006) fand ich die folgende Aussage von Wolfgang Zieher: „Der ,Stern‘ und das Fernsehen spielen sich die Bälle zu“. In dem Artikel ging es darum, dass ein „Verfahren wegen der vom Magazin ‚Stern‘ aufgedeckten Praktiken, wonach Mediziner für die Verschreibung von Ratiopharm-Produkten systematisch belohnt worden seien“, von der Staatsanwaltschaft Ulm eingestellt worden war und sich ein Bürger mit Erfolg für die Wiederaufnahme der Ermittlungen eingesetzt hatte. Die Staatsanwaltschaft Ulm hatte die Ermittlungen eingestellt und interpretierte Beiträge des Magazins „Stern“ (Autor: Markus Grill) und des Fernsehmagazins „Monitor“ allem Anschein nach so, dass hier medialer Druck ausgeübt werden sollte und sich speziell zwei Medien gegenseitig die Bälle zugespielt hätten.

Die rechtliche Bewertung der Staatsanwaltschaft Ulm wurde im Mai 2013 durch ein Urteil des BGH nachträglich bestätigt (-> „Staatsanwalt stellt Ratiopharm-Ermittlungen ein“, DIE WELT, 22.05.2013). Der Verdacht, dass Markus Grill und „Monitor“-Autoren nicht nur Journalismus sondern auch Politik betrieben und über Bande gespielt haben, ist es wert, noch viel genauer untersucht zu werden - wenn nötig auch investigativ.



Links zum Thema:

Weitere Ungereimtheiten in der Berichterstattung von Markus Grill über Adel Massas (im Kontext Frontal21 und Jobst Spengemann)

Wer erstattete im Fall „Ratiopharm“ Strafanzeige? Indizien, die den früheren „Stern“-Reporter Markus Grill entlasten



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